PM einer unabhängiggen Aktionsgruppe
Abseilaktion mit Rollstuhl in Potsdam: Aktivist:innen machen auf Gewalt gegen Menschen mit Behinderung aufmerksam.
Am 28.4.2025 jährt sich der Tag, an dem vier Menschen mit Behinderung in einer Einrichtung des Oberlinhauses in Potsdam ermordet wurden. Um 12 Uhr kletterten Aktivist:innen auf eine Brücke an den Havelauen und rollten ein Transparent mit der Aufschrift: „Ableismus tötet!“, aus. Die Aktion soll darauf aufmerksam machen, dass Menschen mit Behinderung struktureller Gewalt ausgesetzt sind, die alltäglich geschieht – auch innerhalb der Institutionen, die ihnen vermeintlich helfen sollen. Die Aktionsgruppe, bestehend aus Menschen mit und ohne Behinderung, setzt damit ein Zeichen für Selbstbestimmung und gegen Ableismus.
Fin, eine der kletterenden Personen und selbst von Ableismus betroffen, erklärt zum Hintergrund der Aktion: „In allen Köpfen muss ankommen, dass wir behinderten Menschen zuhören müssen. Inklusion ist nicht nur ein Tag oder dass man mal was aus einer Behindertenwerkstatt kauft und sich gut fühlt. Rampe reicht nicht! Es braucht eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Ableismus in unseren Köpfen – Denn Ableismus tötet!“
Ableismus beschreibt die strukturelle Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. Ableismus ist der Begriff für ein Denksystem, das Menschen abwertet, die nicht einer vermeintlichen geistigen oder körperlichen Norm entsprechen. Aufgrund von Ableismus werden Menschen mit Behinderung aus der Gesellschaft ausgeschlossen, als Problem betrachtet und nicht ernst genommen. Im Extremfall werden sie sogar ermordet.
Dass Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen immer wieder Gewalt erleben, zeigt das Rechercheprojekt #AbleimusTötet der Menschenrechts- und Behindertenorganisation AbilityWatch e. V. Es wurden 43 Gewaltfälle mit mindestens 218 Betroffenen in Einrichtungen in Deutschland in den letzten 10 Jahren dokumentiert, doch die Dunkelziffer ist wesentlich höher. Menschen, die in Einrichtungen untergebracht sind, haben meist keinen Zugang zu unabhängigen Stellen, bei denen sie Unterstützung mit Gewalterfahrungen erhalten.
„Dass im Fall von den Morden vom 28.4.2021 von einem Einzelfall gesprochen wird, ist eine Fortführung der Ungerechtigkeit! Die Strukturen, die solche Morde möglich machen, werden ignoriert. Man tötet nicht nur aus Überlastung, sonst hätten die vielen Menschen, die in schlechten Arbeitsverhältnissen ausgebeutet werden, schon lange ihre Chefs umgebracht. Man tötet, weil man das Leben der anderen Person als unwert empfindet. Und man tötet, weil man es kann.“, sagt Mara, aus der Aktionsgruppe gegen Ableismus.
Die Aktion gegen Ableismus findet im Gedenken an Lucille H., Andreas K., Martina W. Und Christian S. statt, denn die Umstände, die zu ihrer Ermordung geführt haben, dauern fort. Menschen mit Behinderung haben oft kein Recht auf Selbstbestimmung, wenn es um die Unterbringung im Heim oder in der Werkstatt geht, selbst wenn sie dort Bevormundung, Ausbeutung und Gewalt ausgesetzt sind. Inklusion darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Wir wollen ein gemeinschaftliches Leben, in dem alle einen Platz haben.
Zum Abschluss findet auf dem Alten Markt in Potsdam eine Kundgebung statt. Es werden Reden vorgelesen und Flyer an Passant:innen verteilt. Auf der Rückseite des Flyers ist ein Gedicht abgedruckt, das sich aus einer betroffenen Perspektive mit den Morden auseinandersetzt. Es endet mit den Worten:
„Es gibt keinen besseren Ort für dich, sagen sie auch dann noch wenn helfende Hände nicht mehr helfen, sondern töten.“

Kletteraktion am 28.4.25 in Potsdam