- Stellungnahme der Metronom Eisenbahngesellschaft enthält Rechtfertigungen, die auf falschen Tatsachen beruhen. Ein Teil der Erklärung widerspricht sogar physikalischen Gesetzen!
- Forderung nach unahängiger Beschwerdestelle. Barrierefrei und unbürokratisch ansprechbar. Unter Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention.
- Forderung nach Barrierefreiheit im Bahnverkehr (keine Barrierefreiheit durch Abhängigkeit), Bahn-Unternehmen, Politik und zuständige Behörden sind gefragt!
Die Metronom Eisenbahngesellschaft hat zu dem durch unsere Initiiatve öffentlich gemachten Fall von Diskriminierung eines Rollstuhlfahrers bei Metronom in Lüneburg öffentlich Stellung genommen. (1)
Darin wird die antiableitische Aktion Lüneburg aufgefordert, „die öffentlichen Anschuldigungen auf Grundlage falscher Tatsachen zu unterlassen und zu einem sachlichen, konstruktiven und kooperativen Dialog zurückzufinden.“
Ausgerechnet der hier gemachte Vorwurf lässt durchblicken, dass die Metronom Eisenbahngesellschaft kein Interesse an einer unabhängigen Aufklärung hat, geschweige an einem sachlichen, konstruktiven Dialog. Denn ausgerechnet die Stellungnahme von Metrorom enthält falsche Tatsachen und Anfeindungen. Dem betroffenen Rollstuhlfahrer, der sich sein Recht auf Mitfahrt nicht nehmen lassen wollte, wird sachlich unzutreffend ein massives Fehlverahlten und eine völlig absurde Vorgehensweisen unterstellt. Da er sich öffentlich beschwert, wird er persönlich verunglimpft.
Der Zug soll voll gewesen sein. Fußgänger*innen stiegen aber in Lüneburg ein und aus. Sogar Menschen mit Fahrrädern durften in andere Wagen einsteigen. Das Unternehmen hält sich noch nicht einmal an die eigenen Vorrangsregelungen beim Mehrzweckwagen: Rollstuhlnutzende und Menschen mit Kinderwagen haben dort Vorrang. Auf ihre eigenen Richtlinien geht das Unternehmen auch in seinen Stellungnahmen vom 13. und 19.5. überhaupt nicht ein und erklärt auch nicht, warum dieser Vorrang vom Zugpersonal nicht durchgesetzt wurde.
In ihrer Stellungnahme erklärt die Eisenbahngesellschaft, der Mitabeiter habe versucht „die Situation deseskalierend zu lösen“, der Rollstuhlfahrer sei aus seinem Rollstuhl aufgestanden und habe sich „der Länge nach zwischen Zug und Bahnsteig geworfen, wobei sein Rollstuhl ebenfalls umfiel.“
Diese Behauptung ist ein Versuch der Rechtfertigung, um das Image des Unternehmens zu retten. Doch der Wahrheitsgehalt der Behauptung darf angezeifelt werden. Denn allein der zweite Teil dieser Behauptung widerspricht den Gesetzten der Physik. Ein Rollstuhl fällt nicht einfach um, wenn derdie Nutzerin aufsteht. Er landet erst recht nicht auf Kopf mitten auf dem Bahnsteig, rund 3 Meter weiter.
Auf dem Video des Betroffenen ist zu sehen wie der Rollstuhl auf dem Bahnsteig Kopf steht und die persönlichen Dinge drum herum verteilt sind. Die Aussage des Betroffenen, wonach der Schaffner den Rollstuhl hingeworfen hat, ist anhand dieser Bilder sehr viel glaubhafter. Im Video ist zudem das Gegenteil von Deskalation durch das Zugpersonal zu sehen.
Aktive der antiableitischen Aktion Lüneburg haben den Rollstuhlfaher kurz nach dem Vorfall am Bahnsteig angetroffen. Sie können bezeugen, dass dieser frische Verletzungen aufwies. Er stand noch unter Schock und wies neben Schürfwunden und frischen Blutergüssen unter anderem eine frische Stangulationsspur am Hals auf. Spuren die entstehen, wenn ein Mensch an seiner Kleidung (T-Shirt. Jacke…) gezerrt wird. Außerdem berichtete er von Schmerzen in mehreren Körperbereichen. Es ging ihm sichtbar sehr schlecht. All dies ist laut Metronom angeblich passiert, weil er selbst sich
„Vor seinem Aufbruch zum Bahnhof hatten wir Zeit miteinander verbracht und können bezeugen, dass es die Verletzungen und Schäden am Rollstuhl vorher noch nicht gab. “ so die Augenzeug*innen.
Das Personal darf keinen körperlichen Zwang anwenden, es ist gesetzlich nicht dazu befugt! Es darf Fahrgäste und deren Hilfsmittel nicht ohne Zustimmung anfassen!
Die Metronom Eisenbahngesellschaft versucht die Aussagen weiterer Betroffener zu diskreditieren. Drei unserer Gruppenmitglieder haben mit dem am 4.5. maßgeblich aktiven Metronom-Mitarbeiter bei früheren Fahrten ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass er ihnen gegenüber aggressiv, bedrohlich und diskriminierend auftrat. Die Berichte schilderten wir in unserer Pressemitteilung vom 13.5. (1) Die meisten Metronom-Beschäftigten verhalten sich anders. Metronom weist die drei Erfahrungsberichte mit dem besagten Mitarbeiter einfach mit der Aussage zurück: „Auf Nachfrage zu Zeit und Ort vergangener Vorfälle erhielten wir bisher keine direkte Auskunft“.
Da einige Zeit zurückliegende Vorfälle nicht innerhalb kürzester Zeit durch unsere Mitglieder mit einer genauen Uhrzeit und Datum belegt werden konnten, vertritt Metronom kurz darauf: „Auch der Vorwurf, der Mitarbeiter sei bereits in der Vergangenheit diskriminierend aufgefallen, weisen wir zurück.“ (2)
„Ich habe jahrelang Vorfälle bei Metronom z.B via Twitter (als ich dort einen Account hatte) mit Nennung des Metronom Accounts gemeldet und irgendwann aufgehört, weil nie eine Reaktion kam. Jetzt wird ein Fall öffentlich und sorgt für Reaktionen in der Öfentlichkeit. Metronom meldet sich per Instagram bei mir und das erst jetzt? Weil es nicht ins Bild passt, dass Betroffene sich öffentlich über diskriminierende Erfahrungen äußern? Die Reaktion von Metronom im aktuellen Fall lassen mich an den Willen des Eisenbahnunternehmens nach sachlicher Aufklärung zweifeln. Betroffene laufen viel mehr die Gefahr einer Täteropferumkehr, von Gaslighting, als nicht glaubhaft dargestellt zu werden, eingeschüchtert zu werden. Ich habe keine Lust auf Retraumatisierung.“, erklärt Cécile.
Wir weisen darauf hin, dass das Aufschreiben der Ereignisse zu einem erneuten Durchleben der Diskriminierung führt und zusätzlich belastend ist. Viele Betroffene sind durch ableistische Erfahrungen beim Bahnfahren belastet, einzelne sogar traumasiert. Eine Reihe von Rollstuhlfahrer*innen fahren mit unguten Gefühlen und Sorgen mit der Bahn. Einige können aufgrund der belastenden Erfahrungen gar nicht mehr sinnvoll mit der Bahn fahren. Die Menschen, die Aufbegehren und die Einhaltung ihrer Grundrechte einfordern werden als Strörfaktor gesehen.
„Ein Dialog ist für mich nur möglich, wenn die Metronom Eisenbahngesellschaft uns nicht andauernd als die Störenfriede ihrer tollen Bahn-Welt darstellt. Das Unternehmen hat null Interesse an Aufarbeitung, sondern nur am Image polieren.“ ergänzt eine weitere Betroffene.
Was folgt?
Es braucht eine Möglichkeit Beschwerden einfach, unbürokratisch, datenschutzfreundlich und barrierefrei bei einer unabhängige Stelle einzureichen. Wenn Metronom oder ein anderes Bahnunternehmen über sich selbst urteilt, bleibt dies ein Insichgeschäft. Das ist strukturell nicht geeignet wie der aktuelle Fall zeigt.
Die Metronom Eisenbahngesellschaft hat eine Betroffene auf ihr Compliance-System und die Beschwerdestelle, die durch die Netirena angeboten wird, hingewiesen. wir stellen aber fest: Die Netirena beruft sich bei ihren ethischen Grundsätzen auf diverse internationale Vereinbarungen. Unter anderem auf die Charts der Menschenrechte und die UN-Kinderrechtskonvention. Das einzige, was keine Erwähnung findet, ist die UN-BRK (UN-Behindertenrechtskonvention)! Das ist nicht vertrauenserweckend.
Wenn die (Metronom) Züge und Bahnhöfe barrierefrei wären, würde es nicht zu solchen Konflikten kommen! Menschen die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, sind tagtäglich mit Barrieren konfrontiert. Das ist struktureller Ableismus. Hier sind sowohl Bahn-Unternehmen als auch Politik (als Gesetzgeber) und Behörden gefragt, in diesem Fall die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG), die die Züge bestellt.
Wir fordern: In Züge müssen gehbehinderte Menschen ohne fremde Hilfe einsteigen können und es muss genug Rollstuhlplätze geben! Die UN-Behindertenrechtskonvention sichert uns Barrierefreiheit an allen Orten des öffentlichen Lebens zu. Barrierefreiheit bedeutet laut BGG (Behindertengleichstellungsgesetz), etwas ohne fremde Hilfe in der allgemein üblichen Weise benutzen zu können.
Was dafür konkret nötig ist, ist an den verschiedenen Orten unterschiedlich. Aber unser Recht auf Barrierefreiheit muss endlich umgesetzt werden. An allen Orten.
Barrierefreiheit muß einklagbar sein!
Heute sind wir von der Bereitschaft des Personals abhängig, die Rampe zu bedienen, um überhaupt einsteigen zu können. Wenn gehbehinderte Menschen genauso frei einsteigen könnten wie Nichtbehinderte, dann wäre es zu der Situation am 4.5. überhaupt nicht gekommen. Zu den schlimmen Erlebnissen, die mehrere Menschen aus unserer Initiative mit demselben Schaffner hatten, auch nicht. In allen Situationen wurde den Rollstuhlfahrerinnen untersagt mitzufahren, obwohl andere Passagiere einsteigen durften. Wenn nichtbehinderte Gäste die Rollstuhlplätze belegen und nicht bereit sind, sie frei zu geben, sollte das Personal sie dazu auffordern, statt Rollstuhlfahrerinnen die Mitfahrt zu verweigern. Problematisch ist auch, dass es nur einen einzigen Mehrzweckwagen für Menschen mit Rollstuhl und Menschen mit Kinderwagen gibt. Das reicht oft nicht aus. Es braucht mehr Platz. Zwei Rollstuhlplätze in einem Zug mit bis zu 1000 Steh- und Sitzplätzen für Fußgänger*innen sind viel zu wenig.
Außerdem ist man darauf angewiesen, dass die Technik funktioniert. Wenn die einzige Tür für Rollstuhlnutzende oder die einzige Rampe kaputt ist, können viele von uns nicht mitfahren. Es braucht Redundanz (also eine zweite Tür, eine zweite Rampe) und diese Infrastruktur muss ohne fremde Hilfe benutzbar sein.
(1) Unsere aaa-LG Pressemitteilung vom 13.05.2025 https://fightableism.noblogs.org/post/2025/05/13/ableistische-diskriminierung-bei-metronom-eisenbahngesellschaft/
Stellungnahme von Metronom Eisenbahngesellschaft mbH vom 19.05.2025 https://www.der-metronom.de/blog/unsere-sicht-auf-die-ereignisse-vom-4-mai/
(2) Kommentar von metronom_unterwegs vom 19.5.2025 unter seinem Instagram-Post vom 19.5.2025 https://www.instagram.com/p/DJ1eh7RIOSe/