PM – Demo und Aktionsfahrt für Mobilitätswende mit Barrierefreiheit – Bhf Köln Messe Deutz 19.08. ab 10.00

Pressemitteilung von der Gruppe „Rollfender Widerstand“, vom 17.08.2022

Dürren. 9€ Ticket. Waldbrände. Überfüllte Züge. Die klimafreundlichen öffentlichen Verkehrsmittel müssen dringend ausgebaut werden, und zwar so, dass Alle mitfahren können, auch Menschen mit Behinderungen! Kundgebung und kollektive Bahnfahrt – auch mit Rollstuhlfahrer*innen und anderen behinderten Menschen.

Der rollfende Widerstand – direkte Aktion gegen Barrieren ist eine bunte Gruppe aus Menschen mit und ohne Behinderung. Sie wollen für den barrierearmen Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel demonstrieren. Am Freitag, den 19.08.2022, ab 10.00 Uhr am (noch nicht barrierefreien) Bahnhof Köln Messe Deutz. Gegen 12.00 gehts los: mit dem 9 € Ticket und mehreren Rollstuhlfahrer*innen nach Frankfurt am Main (dort ist der Sitz der Bahn und selbst in Frankfurt sind nicht alle Fern- und Regionalverkehr-Bahnhöfe barrierefrei). “Kommt vorbei oder begleitet uns auf der Zugfahrt!”

Dass der Klimawandel eine ernsthafte Bedrohung ist, ist mitterweile jedem klar. Das 9 € Ticket hat mit überfüllten Zügen bewiesen, dass Menschen bereit sind, auf klimafreundliche öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, es hat aber auch gezeigt, dass diese dringend ausgebaut werden müssen, und dabei geht es neben mehr Platz in Zügen und besseren Verbindungen auch darum, Barrieren für die ca. 10 % der Menschen in Deutschland, die mit einer Behinderung leben, abzubauen.
“Das Zug- und Busnetz muss jetzt ausgebaut werden, das ist der Moment, uns gleich mitzudenken und neue Züge oder Bahnhöfe von Anfang an so zu bauen, dass wir mitfahren können!”, sagt Max, Klimaaktivist und Rollstuhlfahrer.

Noch immer sind viele zentrale Bahnhöfe wie der in Köln Messe Deutz oder der in Frankfurt West oder Frankfurt Süd nicht stufenlos zu erreichen. Selbst in neuen ICEs werden weder Belange von Rollstuhlnutzer*innen noch die von anderen Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen berücksichtigt.
Viele Menschen mit Behinderung sind zusätzlich von Armut betroffen; für sie und alle anderen mit geringerem Einkommen stellen auch die regulären hohen Ticketpreise eine Barriere für das Bahnfahren dar*.
“Es kann nicht sein, dass nur Reiche und Gesunde die Möglichkeit haben, sich klimafreundlich zu verhalten,” sagt Tamara, die an einer chronisch entzündlichen Rückenkrankheit leidet und deshalb nur halbtags arbeiten kann. “Wenn es uns ernst ist mit Klimaschutz, müssen wir den öffentlichen Verkehr so ausbauen, dass es für alle möglich ist mitzufahren.”

Was wir hier fordern, ist nicht übertrieben und sogar bereits gesetzlich vorgeschrieben: Alle Menschen haben gemäß Grundgesetz das Recht auf Teilhabe am öffentlichen Leben und niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die bereits 2009 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet Deutschland dazu, im öffentlichen Raum einen „gleichberechtigten Zugang […] zu Transportmitteln“ zu schaffen. Seit dem 01.01.2022 soll laut Personenbeförderungsgesetz (PBefG) der öffentliche Nahverkehr barrierefrei sein.

Dass es im öffentlichen Nahverkehr noch viele Barrieren gibt, will der Rollfende Widerstand mit einer gemeinsamen Zugfahrt aufzeigen. “Wir sind gespannt, wie es sein wird, mit gleich mehreren Menschen mit Behinderung eine so lange Zugfahrt zu machen”, sagt die Behindertenrechtsaktivistin und Rollstuhlfahrerin Cécile. Der Weg vom Ottoplatz zum Abfahrtsgleis wird wohl die erste Barriere darstellen, denn hier gibt es keinen Aufzug. Vor den Rolltreppen sieht man lediglich ein Schild mit einem durchgestrichenen Kinderwagen.
Auf offizielle Presseanfragen an die Stadt Köln zum barrierenfreien Ausbau der ÖPNV Infrastruktur, darunter die des Bahnhofs Köln-Messe Deutz, gab es seit Februar 2022 noch keine Antwort.**

“Die Tatsache, dass Anfragen ignoriert werden und der Ausbau kaum vorangetrieben wird, zeugt von einer ableistischen Politik,” sagt Cécile und erklärt dann: “Ableismus kommt aus dem Englischen von „to be able“, also fähig sein und ist ein Wort, das Diskriminierung von Menschen mit Behinderung aufzeigt.” Ableismus wird oft als Behindertenfeindlichkeit übersetzt, es geht dabei aber auch um strukturelle Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. Darunter fällt z.B., dass Gleise wegen der Stufen für Menschen mit Rollstuhl nicht zugänglich sind, aber auch ein fehlendes oder mangelhaftes Blindenleitsystem. „Barrierefreiheit darf nicht auf Rampen reduziert werden. Es bedeutet viel mehr!“ ergänzt Max.

Die Gruppe Rollfender Widerstand hat eine Liste mit Ideen gesammelt, wie die Bahn für Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten zugänglicher werden kann.

– Mobilitätsservice: Unbürokratisch und ohne Anmeldung, verfügbar solange Züge fahren
– Berücksichtigung unterschiedlicher Behinderungen und Einschränkungen bei der Infrastruktur:
z.B (rollstuhlbefahrbare) Liegewagen und Ruhewagen für neurodivergente Menschen
und für chronisch Kranke, die sich ausruhen müssen oder nicht lange sitzen können
– Durchsagen sowohl per Lautsprecher als auch auf der Anzeigetafel.
– Unbürokratische Entschädigung von Betroffenen bei Barrieren und Diskriminierung
– Schulung über Ableismus für Mitarbeitende der Deutschen Bahn
– Weiterhin Maskenpflicht, da wichtig für Menschen mit Immunschwäche
– Mehr als einen Wagen mit Rollstuhlplätzen pro Zug
– Keine neuen Züge mit Stufen bestellen
– Mehr Sitzgelegenheiten an Bahnhöfen
– Ausbau: Mehr Platz, mehr erreichbare Orte, direktere Verbindungen
– Möglichst kostenfrei (z. B. 9-Euro-Ticket)

Weil Menschen verschieden sind und sich nicht allen Menschen dieselben Barrieren stellen, ruft die Gruppe andere von Ableismus Betroffene dazu auf, zu ergänzen, was die Barrieren, die sich ihnen bei Zug oder Bahnfahrten stellen, abbauen könnte. Von Barrierefreiheit würden alle profitieren. Inbesondere auch Menschen mit Kinderwagen und schwerem Gepäck.

Rollfender Widerstand – Direkte Aktion gegen Barrieren

Twitter https://twitter.com/Fight_Ableism

* Eine Wertmarke für den ÖPNV bekommen nur Menschen mit ensprechenden Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis (in der Regel für 91 Euro im Jahr), davon profitieren längst nicht alle Betroffenen. Für den Fernverkehr gibt es diesen Nachteilsausgleich nicht. Menschen mit Behinderung zahlen wie andere Fahrgäste, obwohl sie wie Fahrgäste dritter Klasse behandelt werden (Anmeldung, keine freie Verbindungswahl, nicht ausreichend Plätze, etc.)

** Siehe https://fightableism.noblogs.org/hintergruende/presseanfragen/